Reisen ohne Koffer

🕒 Lesezeit: ca. 5 Minuten

Wenn ich meinen Blog kategorisieren müsste, würde ich sagen, ich schreibe einen Reiseblog. Nur dass meine Reise keine Sicherheitskontrolle, keinen Jetlag und kein Ziel auf Google Maps hat. Ich reise zu mir selbst. Und obwohl das Ziel klar ist – ankommen, bei mir – verliere ich unterwegs regelmäßig die Orientierung.

Vielleicht liegt es daran, dass mein inneres Navigationsgerät mit Gefühl statt GPS arbeitet. Und Gefühle sind, wie wir wissen, keine besonders zuverlässigen Wegweiser.
Sie leuchten kurz auf, flackern, verschwinden. Und ich stehe dann da, mitten in meinem eigenen Leben, mit einer Mischung aus Vorfreude, Müdigkeit und dem Gefühl, dass mein innerer Kompass entweder den Geist aufgegeben hat oder vielleicht einfach kurz innehält, damit ich stehenbleiben muss, um zu verstehen, wohin es geht.

Boarding ohne Gate

Dabei weiß ich eigentlich genau, wohin ich will: Ich will mein eigenes Kreativlabel gründen. Ich will Dinge erschaffen, die bleiben, wenn der Tag vorbei ist. Ich will morgens aufstehen und wissen, dass ich etwas tue, das ich liebe.

Aber jedes Mal, wenn ich loslaufen will, teilt sich der Weg. Zu viele Möglichkeiten, zu viele „richtige“ Entscheidungen. Es gibt Tage, da fühle ich mich wie auf einem Flughafen, auf dem alle Maschinen gleichzeitig starten. Und ich stehe da, mit meinem Ticket in der Hand, aber keiner sagt mir, wo mein Gate ist.

Niemand fliegt dieselbe Route

Leider kann ich auch niemanden danach fragen, obwohl ich Menschen um mich herum habe, die mich auffangen, wenn ich mal wieder zwischen Hoffnung und Überforderung pendle. Die an mich glauben und mir kluge und liebevolle Dinge sagen.

Denn keiner von ihnen träumt genau denselben Traum. Und das macht diese Reise so seltsam einsam.

Ich kann ihnen erklären, was ich vorhabe – sie verstehen es, aber sie fühlen es nicht. Sie wissen, wie Leidenschaft aussieht, aber nicht, wie sich meine anfühlt. Wie sie brennt, zögert, sich versteckt, dann wieder alles überstrahlt.

Es ist wie der Unterschied zwischen einem Foto und dem Moment, in dem es aufgenommen wurde. Du kannst das Foto ansehen – aber fühlen kannst du es nur, wenn du selbst dabei warst.

Zwischenstopps im Nirgendwo

Und so lande ich ständig an Orten, die auf keiner Karte stehen.

Weil ich eine Reise unternehme, die noch niemand vor mir gemacht hat. Ich muss den Weg pflastern, während ich ihn bereits gehe. Manchmal mit Glitzer, manchmal mit Zweifeln, manchmal mit purem Durchhaltevermögen.

Aber ich hätte gern einen Reiseleiter mit ausgeprägtem Orientierungssinn. Einen, der mir sagt, welcher Weg nach „eigene Bestimmung“ führt – und wo bitte der Ausgang aus dem Labyrinth der Möglichkeiten ist. Stattdessen ruft das Leben: „Na los, du wolltest doch Abenteuer!“

Zu viele Ziele für ein Ticket

Es gibt so viele Dinge, die ich erschaffen möchte. So viele Ideen, die in meinem Kopf gleichzeitig Schlange stehen – alle mit glänzenden Augen und dem Satz: „Nimm mich zuerst!“ Und ich will sie alle. Jedes einzelne Projekt winkt mir zu, als wäre es genau das, worauf ich und die Welt gewartet haben.

Aber wenn ich mich für eins entscheide, sage ich automatisch Nein zu allen anderen.
Und jedes Nein tut weh – nicht, weil es falsch ist, sondern weil es Türen schließt, hinter denen vielleicht etwas Schönes gewartet hätte.
Es fühlt sich nicht nach Entscheidung an, sondern nach Verlust.

Und dabei weiß ich natürlich, wie wichtig Fokus ist. Dass ich aufpassen muss, dass ich mich in der überwältigenden Menge der Möglichkeiten nicht verliere und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehe.
Aber wie soll ich mich entscheiden, wenn sich jedes „Ja“ ein bisschen wie Verrat an allen anderen Ideen anfühlt?
Ich will alles erschaffen – und muss gleichzeitig lernen, auszuhalten, dass nicht alles auf einmal geht.

Ich bleibe auf Kurs

Es gibt Tage, da bin ich sicher, dass sich am Ende alles fügen wird. Und es gibt Tage, da stehe ich vor meiner Nähmaschine, starre auf eine leere Stoffbahn und denke:
Was, wenn das alles einfach nur ein riesiger Fehler ist?

Dann erinnere ich mich daran, dass selbst die besten Reisen nicht daran scheitern, dass man sich verirrt – sondern dass man stehenbleibt, wenn’s unbequem wird.
Und dass Orientierungslosigkeit nicht das Gegenteil von Richtung sein muss, sondern ihr stiller Anfang sein kann.

Denn solange ich suche, bewege ich mich.
Solange ich mich bewege, lerne ich.
Und solange ich lerne, bin ich auf Kurs – auch wenn die Karte nirgends hinführt, wo andere schon waren.

Und jetzt?

Vielleicht geht es gar nicht darum, irgendwo anzukommen. Vielleicht geht es darum, mich selbst unterwegs nicht zu verlieren. Um das Vertrauen, dass ich nicht falsch laufe – sondern einfach noch nicht weiß, wie mein Weg aussieht, wenn er fertig ist.

Und ganz vielleicht bin ich auch gar nicht die Reisende, sondern der Ort, zu dem ich will. Vielleicht ist „bei mir ankommen“ gar nicht das Ziel, sondern der Weg. Einer, der jeden Tag ein bisschen mehr Heimat schafft – in mir, nicht auf der Landkarte.

Und während ich das schreibe, merke ich:
Mein innerer Kompass funktioniert doch.
Er zeigt nur nicht nach Norden.
Er zeigt nach Innen.

💬 Und du?

Weißt du schon, wo’s langgeht – oder wartest du noch auf die Durchsage vom Universum?

Wegweiser
Weiter
Weiter

Wenn die Vergangenheit anruft