Zuhause
🕒 Lesezeit: ca. 5 Minuten
Willkommen zur dritten Staffel meines Blogs.
In diesem Teil der Reise geht es um Sätze, die sich häuslich eingerichtet haben. In meinem Kopf. Manche wie ein bequemer Sessel, andere wie dieser eine Stuhl, an dem man sich ständig den Zeh stößt.
Bist du bereit? Dann schnall dich an – und mach dich auf einige Turbulenzen gefasst.
Zuhause ist kein Ort, sondern ein Gefühl.
Der perfekte Satz für ein Wandtattoo. Oder eine Fußmatte. Am besten in geschwungener Schrift, direkt neben dem Haken für den Zweitschlüssel und der Zierkürbis-Deko. Ein bisschen zu nett, um wirklich ernst genommen zu werden.
Aber ich habe schon sehr früh gelernt, wie wahr dieser Satz ist – lange bevor ich wusste, dass es überhaupt einen Spruch darüber gibt, dass Zuhause nichts mit dem Wohnort zu tun hat. Nicht, weil ich in meinem Leben ständig von Wärme und Geborgenheit überrollt wurde. Sondern weil ich sie vermisst habe – an dem Ort, der eigentlich mein Zuhause hätte sein sollen.
Ich wohnte dort, ja. Mein Name stand an der Klingel. Meine Zahnbürste stand im Bad, meine Jacke hing im Flur. Und trotzdem fühlte ich mich eher wie ein Gast. Nur ohne das frische Handtuch und die höflich gestellte Frage, ob alles recht sei. Ich war da – aber nicht wirklich willkommen. Anwesend, aber innerlich auf Abruf. Als müsste ich jederzeit erklären, warum ich noch nicht wieder gegangen bin.
Zuhause war für mich kein Zustand, den ich kannte. Aber einer, den ich vermisste – ohne zu wissen, wie er sich überhaupt anfühlt. Ich wusste nur: So wie es ist, ist es das nicht.
Und vielleicht lernt man manche Wahrheiten nicht durch das, was da ist – sondern durch das, was fehlt. Ruhe. Sicherheit. Dieses kleine, warme Gefühl, angekommen zu sein.
Nur zu Besuch
Ich habe in Wohnungen gelebt, die auf dem Papier eindeutig mein Zuhause waren. Offizielle Anschrift, eigener Briefkasten, Strom auf meinen Namen.
Meine Kleidung hing im Schrank, meine Bücher standen im Regal, meine Möbel hatten ihre festen Plätze – manche sogar farblich abgestimmt auf Wände, die ich selbst gestrichen hatte (mit mäßigem Erfolg, aber immerhin in zwei Schichten).
Und trotzdem fühlte es sich nicht nach meinem Ort an. Eher wie ausgeliehen. Wie zu Besuch. Nur, dass nie jemand fragte, wann ich wieder gehe.
Denn sobald ich die Tür hinter mir schloss, blieb irgendetwas draußen – oder drinnen. Da war kein Ausatmen. Kein „Puh, geschafft“. Nur ein ständiges Grundrauschen aus innerer Anspannung. Als wäre ich nicht nach Hause gekommen, sondern in ein Bewerbungsgespräch für mein eigenes Leben.
Es gab keinen Raum, in dem ich einfach nur sein durfte. Immer lag ein dünner Film aus Vorsicht über allem. Wie Frischhaltefolie über einem Gefühl, das eigentlich atmen wollte. Zuhause sollte ein sicherer Ort sein. Ein Rückzugsraum vor dem Wahnsinn da draußen.
Aber in diesen Wohnungen war der Wahnsinn drinnen – nur eben sehr gut organisiert. Ich funktionierte. Ich machte es mir hübsch. Ich versuchte, mich einzurichten – aber in Wahrheit wohnte ich nur zwischen meinen Möbeln. Nicht in mir.
Ein Ort ohne Bedingungen.
Zuhause, das habe ich irgendwann begriffen, ist kein Ort, an dem ich Dinge besitze. Es ist ein Zustand, in dem ich nicht ständig auf der Hut sein muss. Ein Gefühl, das sich einstellt, wenn Nähe nicht an Bedingungen geknüpft ist.
Zuhause ist nicht erklären zu müssen, warum ich gerade still bin. Nicht stark sein zu müssen, wenn in mir alles wackelt. Nicht strahlen zu müssen, damit ich gemocht werde.
Zuhause ist der Ort, an dem ich nicht nur sein darf, wie ich bin – sondern manchmal sogar vergessen darf, wer ich sonst zu sein versuche. Weil jemand da ist, der mich erkennt – auch an meinen verschwommenen Tagen.
Dieses Gefühl ist nicht an Orte gebunden. Nicht an Wände, an Bettwäsche oder an stabile Internetverbindungen. Es ist da, wo jemand ist, der nichts verlangt und trotzdem alles hält. Der die Stille nicht füllt, sondern aushält. Der bleibt – auch wenn alles andere unübersichtlich wird.
Zuhause zum Mitnehmen
Der Satz ist also doch mehr als ein Wandtattoo. Er ist ein Versprechen.
Daran, dass ich mein Zuhause nicht verliere, wenn ich umziehe. Dass ich es mitnehmen kann – in Gesprächen, in Blicken, in den Händen des Menschen, der mich liebt. Ich brauche kein Klingelschild. Kein Möbelstück. Nicht mal einen Kleiderbügel.
Wenn ich meinen Lieblingsmensch dabeihabe, kann ich überall zu Hause sein.
Auch mitten im Wahnsinn der Welt – solange ich weiß, dass ich irgendwo in seinem Herzen einen festen Wohnsitz habe.
💬 Und du?
Wo hast du schon mal Zuhause gespürt – obwohl der Ort dafür eigentlich nicht vorgesehen war?
🧩 Dieser Text ist Teil meiner Blogserie „Worte, die wirken“. Welche das beim nächsten mal sein werden, weiß ich noch nicht. Lass’ es uns einfach gemeinsam herausfinden.