Alleine. Und zwar gern.

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Ich war schon immer gerne allein. Nicht einsam, nicht weltabgewandt, nicht sozial verwahrlost – einfach allein. Ohne Ansprache, ohne Termine, ohne diesen subtilen Erwartungsdruck, ständig auf Empfang zu sein.

Schon als Kind konnte ich stundenlang in meinem Zimmer sitzen, mit mir selbst und meinen Fantasiewelten vollkommen ausgelastet. Während andere draußen Fangen spielten, baute ich mir drinnen kleine Universen aus Stiften, Papier und absurden Gedankengängen. Kein Lärm, kein Streit um Regeln, keine fremden Erwartungen – nur ich, meine Ideen und der Luxus, sie ungestört zu Ende zu denken.

Menschen mag ich trotzdem. Vorzugsweise die, die ich kenne. Und die mich mögen, ohne dass ich dauergrinsend Interesse heucheln muss. Ich habe eine Familie, Freunde, Menschen, mit denen ich gern Zeit verbringe. Aber ich bin niemand, der Smalltalk als Energiequelle sieht oder in fremden Menschen vor allem spannende neue Kontakte wittert. Ich sehe in ihnen in erster Linie Reizüberflutungspotenzial.

Dazwischen ist mein Gleichgewicht.

Was mich dagegen nährt, sind ruhige Vormittage mit mir selbst. Wenn keiner was will. Wenn ich alleine im Café sitze, mitten im Trubel, aber innerlich wie in Watte gepackt. Mein Cappuccino, mein Gedanke, mein Tempo. Niemand, der nach einer Serviette fragt oder wissen will, wo die Haferflocken sind. Herrlich.

Denn meine Gedanken brauchen Platz. Ich bin voll davon – Ideen, Pläne, halbgare Geistesblitze mit Zukunftspotenzial. Aber die wollen sortiert, durchdacht, verknüpft werden. Das geht nicht, wenn ständig jemand dazwischenquatscht – verbal oder nonverbal. Manchmal reicht schon ein Geräusch, und zack: Gedanke weg. Ich spüre dann regelrecht, wie mir das Hirn einen Vorhang zuzieht. Dann werde ich wütend. Nicht auf die Person, die den Gedanken unterbrochen hat. Ich bin wütend auf das Dazwischen. Auf den Verlust. Auf das „Ach verdammt, das wär’s gewesen“.

Trotzdem will ich keine Mauern um mich bauen. Ich brauche Nähe, Verbindung, Austausch – aber auf meine Art, in meiner Dosis. Zu viel davon, und ich verliere mich selbst. Zu wenig, und ich verkümmere innerlich. Es ist wie bei Pflanzen: Manche brauchen pralle Sonne, ich gedeihe eher im Halbschatten – mit regelmäßigem Kontakt zur Außenwelt, aber bitte in verträglicher Intensität.

Ich bin kein Gewächs für Gruppenräume, Großraumbüros oder gesellige Vereinsabende. Ich bin eher so ein Balkonkräuterchen: am liebsten mit ein bisschen Ausblick, etwas Luft und gelegentlichem Gießen, aber bitte kein Dauerbesuch. Ich blühe nicht unter Blicken, sondern in der stillen Selbstverständlichkeit von echten Verbindungen – dort, wo man nebeneinander schweigen kann, ohne dass es komisch wird.

Und auch wenn ich manchmal aufdrehe, witzig bin, präsent – das kostet. Und nach jeder dieser kleinen Sozialtouren brauche ich Rückzugszeit, um mein inneres Gleichgewicht wieder einzunorden. Nicht aus Unhöflichkeit. Nicht, weil ich undankbar bin. Sondern weil ich mich in der Stille wieder finde. Und das, was mir wirklich wichtig ist.

Ich selbst sein

Wenn ich allein bin, ist da niemand, der etwas von mir möchte. Das bedeutet nicht, dass ich dann ausschließlich Entspannungsbäder nehme oder visionäre Kunstprojekte umsetze. Nein, ich falte Wäsche, schrubbe Waschbecken, schiebe mir gedankenverloren einen halben Müsliriegel in den Mund und vergesse die andere Hälfte auf dem Tisch. Aber ich kann das in meinem eigenen Rhythmus tun. Und während ich das tue, passiert in meinem Kopf die eigentliche Arbeit. Ideen entstehen. Pläne reifen. Gedanken dürfen sich entfalten, ohne dass jemand dazwischenfunkt mit „Wo ist meine Socke?“ oder „Wir haben kein Klopapier mehr“.

Solche Momente mögen banal wirken, aber sie reißen mich oft aus komplexen inneren Prozessen, als hätte jemand mitten im Satz den Stecker gezogen. Und weil das ständig passieren kann, brauche ich ein Gegengewicht.

Ich brauche Routinen. Nicht, weil ich spießig bin, sondern weil mein Gehirn sonst implodiert. Wenn da zu viele Tabs offen sind – innerlich wie äußerlich – komme ich nicht mehr hinterher. Deshalb brauche ich Alleinzeit. Zum Denken. Zum Sortieren. Zum Aufräumen, innen wie außen. Draußensein hilft. Bewegung hilft. Aber vor allem hilft: Ich selbst sein. Ohne Publikum. Ohne Performance.

Wenn ich mich selbst ins Café zum Frühstück einlade, ganz alleine, dann passiert etwas Magisches. Ich bin ganz bei mir. Ich bin niemandes Mutter, Freundin, Ehefrau, Tochter, Kollegin. Ich bin einfach ich. Und in genau diesen Momenten – wenn niemand etwas von mir will, wenn ich nichts leisten, niemandem gefallen, nichts sagen muss – dann spüre ich es:

Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer.

Ich nehme einen Schluck Kaffee.

Und alles ist gut.

💬 Und du?

Wie viel Nähe tut dir gut? Und wie viel Stille brauchst du, um dich zu spüren? Ich freu mich, wenn du deine Gedanken mit mir teilst.

🧩 Dieser Beitrag ist Teil meiner Serie „Was mein Herz hüpfen lässt“. Und beim nächsten Mal? Da hüpfen wir gemeinsam ins Ungewisse. Ich weiß noch nicht genau, was kommt – aber ich bin sicher: Es wird wieder irgendwas mit Herz. Und mit mir. Und vielleicht mit Kaffee.

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Herz über Hügel.