Arbeitszeit ist Lebenszeit

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Mein Leben in zwei Hälften

Ich habe mein Leben lange in zwei Hälften geteilt: Arbeit (abzuhaken) und Freizeit (zu genießen). Montags habe ich auf Freitag gewartet. Freitags auf Urlaub. Im Urlaub schon wieder auf den nächsten.

Alles, was mir wirklich wichtig war – und Spaß gemacht hätte – wanderte in die „Später“-Schublade.
Später würde ich reisen. Später würde ich kreativ sein. Später würde ich anfangen, das Leben zu leben, das ich mir vorstellte.

Das Problem?

Später ist nie gekommen. Stattdessen kam immer nur Montag.

Nach der Arbeit ist vor der Arbeit

Dabei war ich gar nicht unbedingt unglücklich – eher… leer. Meine Tage hatten den Spannungsbogen eines To-do-Zettels: Aufstehen. Zur Arbeit gehen. Laptop hochfahren. Tun, was getan werden muss. Keine Mittagspause. Weitermachen. Feierabend. Und dann – nach der Arbeit – kam… die Arbeit. Weil ich nicht nur Angestellte war, sondern auch Mama bin. Und ich liebe es, Mama zu sein. Von ganzem Herzen.

Ich könnte den ganzen Tag mit meinem Kind kuscheln, basteln, lesen, Ausflüge machen – und es würde sich nie nach Arbeit anfühlen. Aber Elternsein besteht nicht nur aus diesen goldenen Momenten. Es besteht auch aus dem ganzen Rest: Diskussionen darüber, warum Sandalen im Winter eher ungeeignet sind. Tränen über das falsche Müsli. Wäsche, Wäsche und immerzu nur Wäsche. Und all das wartete nach einem Arbeitstag genauso zuverlässig auf mich wie ein voller Posteingang am Montagmorgen.

Jeder Tag wie eine Schablone: erst Job, dann Elternschicht, dann müde ins Bett fallen – nur um am nächsten Morgen wieder von vorn zu beginnen.

Ich war beschäftigt, aber nicht erfüllt. Ich verbrauchte meine Energie für Aufgaben, deren Sinn ich nicht verstand, und für Konflikte, die mich auslaugten, auch wenn sie aus Liebe entstanden. Und tief in mir drin wusste ich: So geht das nicht ewig.

Nur wusste ich nicht, was die Alternative war – also schob ich alles in die Später-Schublade.

Fehler in der Matrix

Und dann sagte jemand diesen Satz: „Arbeitszeit ist Lebenszeit.“

Er traf mich wie ein nasser Waschlappen ins Gesicht. Plötzlich war klar: Die vielen Stunden am Tag, die ich mit sinnlosen Aufgaben verbrachte, waren nicht die Generalprobe. Sie waren die Aufführung. Und ich hatte jahrelang meine Hauptrolle an eine gelangweilte Statistin vergeben.

Von da an konnte ich meine alte Rechnung nicht mehr schönrechnen.

Dieses Ich halte durch und hole mein Leben später nach war genauso absurd, wie ein Kuchenrezept ab Punkt drei zu starten - und sich dann zu beschweren, dass der Teig nach Omelett schmeckt.

Wenn später nicht kommt

Und je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir:

Wir leben in einer Welt, die darauf ausgelegt ist, dass wir bis zur Rente schuften – um dann endlich „nicht mehr arbeiten zu müssen“. Als wäre das die Belohnung: fünfzig Jahre lang Zeit gegen Geld tauschen, um danach vielleicht noch ein paar Jahre leben zu können, bevor Körper oder Geist sagen: „Das war’s.“

Aber wer sagt eigentlich, dass das so ablaufen muss?

Und was passiert, wenn ich dann die Rente gar nicht mehr genießen kann, weil ich in den Jahrzehnten davor all meine Kraft schon verbraucht habe?

Ich will mein Leben nicht in einen Vor- und einen Nachspann teilen.

Ich will es jetzt schon leben – nicht erst später, wenn es vielleicht nicht mehr geht.

Ich habe kein Problem damit, auch mit 70, 80 oder 90 „zu arbeiten“ – solange es Aufgaben sind, die mir etwas bedeuten.

Wie wäre es, wenn wir unsere gesamte Lebenszeit mit sinnvollen Dingen füllen, statt auf den einen großen Feierabend zu warten?

Der Anfang von Jetzt

Also habe ich angefangen, Fragen zu stellen.

Nicht im Meeting (das hätte eh niemand beantwortet), sondern in meinem Kopf:

Was will ich eigentlich mit all diesen Stunden machen?

Wenn das hier schon mein Leben ist – will ich es wirklich damit füllen, auf später zu warten?

Die Antwort war so unbequem wie eindeutig: Nein.

Und genau da hat dieser Blog seinen Ursprung.

Er ist mein Versuch, nicht mehr zwischen „Pflicht“ und „Leben“ zu trennen, sondern die Stunden, die ich sowieso arbeite, so zu gestalten, dass sie sich nicht wie verlorene Zeit anfühlen.

Das hier ist kein „Kündige deinen Job und folge deinem Herzen“-Manifest.

Es ist eher ein „Mach was aus der Zeit, die du schon hast“-Reminder.

Weil es am Ende egal ist, ob man in einem Großraumbüro sitzt, selbstständig näht oder E-Mails in Pyjamahosen schreibt – die Stunden zählen alle gleich.

Und ich will, dass möglichst viele davon nicht in der Später-Schublade landen, sondern mitten im Jetzt.

💬 Und du?

Hast du heute schon auf die Rente gewartet?

🧩 Dieser Text ist Teil meiner Blogserie Worte, die wirken“. Nächste Woche kommt dann wirklich das Staffelfinale.

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