Geld spielt keine Rolle - bis das Licht ausgeht
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Geld. Schon das Wort klingt irgendwie… anstrengend. So, als müsste man danach kramen, es zusammenhalten oder es irgendwie verdienen. Ich wäre lieber reich an Ruhe, aber das zahlt sich steuerlich nicht aus.
Und trotzdem: Es muss sein. Der vierte Teil meiner Selbstfindungsreihe dreht sich also ums Geld. Oder zumindest um das Gefühl, das es bei mir hinterlässt.
Spoiler: Es wird weniger kapitalistisch als psychologisch. Und es ist ganz sicher kein Spartipp dabei.
Wir hatten alles. Und gleichzeitig zu wenig.
Eins vorneweg: Ich bin nicht in Armut aufgewachsen. Im Gegenteil. Es gab ein Haus, zwei Autos, Essen auf dem Tisch und jedes Jahr einmal den Geruch von Sonnencreme und Campingplatz.
Und trotzdem war da dieses „Wenn-eine-Rechnung-kommt-müssen-wir-mal-gucken“-Flair. Neue Klamotten? Schwierig. Schüleraustausch? Zu teuer.
Ich wollte viel – ins Ausland, in eine andere Stadt, irgendwas mit Fernweh eben. Aber der Geldbeutel hatte Heimatgefühle.
Es war nie richtig schlimm. Nur eben auch nie richtig sorglos.
Was bleibt, ist ein Gefühl. Nicht greifbar. Eher wie Nebel in der Brust.
Die Angst, dass alles, was man hat, von heute auf morgen verschwinden könnte. Und das Gefühl: Dann nichts dagegen tun zu können.
Als Kind war es diffus. Heute kann ich ihm einen Namen geben: Existenzangst. Die kommt gern auch dann vorbei, wenn alles eigentlich ganz okay ist.
Ich habe Wünsche. Und Listen. Nur keinen Plan.
Mein Verhältnis zu Geld ist kompliziert. Ich bin weder geizig noch verschwenderisch – ich bin… sagen wir mal: stimmungsgesteuert.
Manchmal rechne ich wie ein Wirtschaftsprüfer auf Speed. Und manchmal bestelle ich fünf Meter Stoff und ein Notizbuch mit Goldprägung – zur emotionalen Stabilisierung.
Ich habe eine Amazon-Wunschliste voller Dinge, die ich nie kaufen werde, aber immerhin regelmäßig umsortiere – das zählt doch auch als finanzielle Planung, oder?
In der Schule hab ich mal ein Praktikum bei der Bank gemacht. Dort wurde jemandem 100.000 € in bar ausgezahlt. Ich stand daneben und dachte: „Cool, sieht aus wie Spielgeld, riecht aber strenger.“
Kein Herzklopfen, kein Konsumrausch, nicht mal ein Hauch von „Wow“.
Geld ist mir egal. Außer, wenn ich keins habe.
Ich hänge nicht an Geld. Ich hänge an funktionierenden Heizungen, vollen Kühlschränken und der Möglichkeit, mir keine Sorgen machen zu müssen, ob ich heute noch heiß duschen kann.
Ich rechne selten aus, was ich mir leisten kann – aber irgendwo im Hinterkopf läuft trotzdem der Worst-Case-Ticker.
Wenn die Jahresabrechnung kommt, zahl ich sie einfach. Wenn ich im Vorbeigehen was kaufe, fühlt es sich an, als würde ich mein Leben riskieren.
Mein Kontostand ist oft stabil, aber mein Gefühl dazu ist ein wackeliges Kartenhaus aus „Was, wenn…?“, „Vielleicht ist morgen alles weg?“, „Ich sollte anfangen, Dosen zu stapeln.“
Finanziell gesehen bin ich ein wandelnder Konjunktiv mit Tendenz zur Apokalypse.
Rein objektiv ist alles in Ordnung. Aber mein inneres Finanzamt sagt: „Wir beobachten die Lage mit Sorge.“
Ich rechne nicht mit Geld. Nur mit dem Schlimmsten.
Ich bin viel zu lange in einem Job geblieben, der mich aufgefressen hat. Warum?
Weil ich dachte: Wenn du gehst, wirst du nie wieder einen Job finden. Und dann wohnst du unter einer Brücke, mit WLAN zwar, aber ohne Hoffnung.
Ich habe Rücklagen. Ich habe (vielleicht) Fähigkeiten. Ich habe sogar einen halbwegs aktualisierten Lebenslauf.
Aber ich habe eben auch diese Angst.
Diese Stimme, die flüstert: „Alles steht auf der Kippe. Beweg dich nicht, sonst fällt’s um.“
Es geht nicht ums Geld. Sondern um das Gefühl, dass es nie reicht.
Der Inhalt weicht leicht vom Thema ab. Wie eigentlich immer.
Es geht nicht um Geld. Es geht um Sicherheit. Und um Angst.
Oder genauer: um das Fehlen der einen – und das Übermaß der anderen.
Geld ist nur der Platzhalter. Für das, was möglich ist.
Für Freiheit. Für Entscheidungen. Für dieses seltene Gefühl, dass morgen vielleicht nicht alles den Bach runtergeht.
Ich hab Angst. Und mach’s trotzdem.
Ich kann mit Geld umgehen, aber nicht ohne Sorge.
Ich kann Entscheidungen treffen, aber nicht ohne Wenns und Abers.
Ich kann sparen, aber nur bei mir selbst – nie beim Schenken.
Ich kann leben, mit diesem kleinen diffusen Zittern im Hintergrund.
Ich kann schreiben. Vielleicht hilft das schon.
Aber das Wichtigste:
Ich kann mein Leben bestreiten – trotz der Angst.
Ich habe gekündigt, obwohl mein innerer Weltuntergangs-Beauftragter Sturmwarnung gegeben hat.
Ich bin mutig. Nicht, weil ich keine Angst habe. Sondern weil ich sie habe – und trotzdem weitermache.
Die Angst läuft mit. Aber ich hab inzwischen bequeme Schuhe. Und eine ziemlich gute Playlist.
P.S.: Dieser Beitrag hat mich nichts gekostet – außer meine Zeit. Von der ich, wie wir wissen, gefühlt eh immer zu wenig habe. Und jetzt ist mein Zeitkonto wieder mal im Minus. Läuft bei mir.
📬 Du kommst über die Runden, aber zur Ruhe irgendwie nie? Dann schreib mir – hier geht’s um Gedanken, nicht um Kontostände.
🧩 Dieser Text ist Teil meiner Blogserie „Was ich kann“. In der nächsten Folge: Gesundheit. Oder sagen wir: das, was davon übrig bleibt, wenn man ständig alles andere zuerst macht.