Ich hab’s gegoogelt.

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Und bin jetzt Arzt, Anwalt und Klempner.

Eigentlich wollte ich nur nach einem schnellen Abendessen googeln.
Drei Rezepte, zwei Ernährungstrends und eine Lebenskrise später denke ich: Ich bin gar nicht hungrig. Ich bin überfordert.

Früher hat man Leute gefragt.
„Was kochst du heute?“ – und dann kam eine ehrliche Antwort: „Nudeln mit irgendwas.“
Heute fragt man Google – und bekommt 1.740.000 Treffer in 0,35 Sekunden.
Darunter mindestens drei widersprüchliche Expertenmeinungen, zwei YouTube-Tutorials, ein Forum aus 2009 und einen Ratgeber, der dich freundlich, aber bestimmt darauf hinweist, dass du bisher alles falsch gemacht hast.

Ich wollte nur wissen, wie man etwas macht – nicht wer ich dabei bin.

Und genau da fängt das Problem an: Wir suchen Lösungen – und finden Identitätskrisen.

Theorie hab ich genug. Praxis wär jetzt nett.

Inzwischen habe ich mehr theoretisches Wissen als ein Volkshochschulkatalog. Ich weiß, wie man Sauerteig ansetzt, Steuererklärungen optimiert und Zitronenbäume überwintert. Ich weiß auch, wie man meditativ malt, mini-malistisch lebt, achtsam atmet, nachhaltig konsumiert und produktiv entspannt.
Ich weiß nur selten, wann genug genug ist.

Und weil Wissen süchtig macht, google ich mich weiter durch mein Leben.
„Wie bekomme ich meine Motivation zurück?“
„Wie lange hält eine Sinnkrise?“
„Wie viele Tabs brauche ich, um glücklich zu sein?“

Manchmal denke ich, wir haben die Grenze zwischen wissen und können irgendwo zwischen Wikipedia und Pinterest verloren.
Ich weiß, wie ich eine Brotkruste perfekt hinbekomme – aber nicht, wo mein Backblech ist.
Ich kenne den Unterschied zwischen Empathie und Projektion – erkenne ihn aber selten in Echtzeit.
Ich könnte wahrscheinlich ein halbes Studium bestehen, wenn es ausschließlich aus Multiple-Choice-Fragen bestünde.

Und ich bin da sicher nicht allein.
Wir alle klicken uns durch dieselben Wissens-schleifen, sammeln Ratgeber wie Trophäen und fühlen uns kurz kompetent – bis die nächste Information das Gegenteil beweist.
Es ist zu viel. Zu laut. Zu alles.

Wir sind alle ein bisschen überinformiert, aber untererlebt.
Wir wissen viel – und fühlen wenig davon.
Vielleicht, weil wir Wissen inzwischen als Ersatzhandlung benutzen.
Statt etwas zu tun, lesen wir darüber.
Und fühlen uns kurz besser, weil wir zumindest darüber Bescheid wissen, wie man’s machen würde.

Wissen als Sicherheitskonzept

Vielleicht geht es auch schon gar nicht mehr ums Wissen selbst.
Sondern darum, wer wir sein wollen, wenn wir es besitzen.
Ich google also, um mich vorbereitet zu fühlen.
Um Kontrolle zu haben.
Um mich sicher zu fühlen in einer Welt, die sich ständig ändert.
Nur: Je mehr ich weiß, desto unsicherer werde ich.
Weil ich mit jeder neuen Antwort zehn neue Fragen finde – und irgendwann nicht mehr weiß, ob ich gerade nach Lösungen oder Bestätigung suche.

Und irgendwo zwischen Steuerrecht, Haut-pflege und Quantenphysik wird aus ge-fährlichem Halbwissen plötzlich Größenwahn. Da denke ich, ich könnte theoretisch alles selbst machen - von Therapie bis Trockenbau. Also fange ich an. Mit den Badfugen.

Ich habe genug Videos gesehen, Anleitungen gelesen, Foren durchstöbert.
Und bin deshalb überzeugt: Ich kriege das hin.
Vier Stunden später habe ich Silikon an den Fingern, im Haar und existenziellen Fragen.
Wissen ist schön.
Aber manchmal ist es klüger, einfach kurz die Nummer vom Fachmann zu googeln.

💬 Und du?

Was war dein letzter Moment, in dem du dachtest: „Ich weiß genau, wie das geht“ –
und dann das Internet leise im Hintergrund gelacht hat?

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