Ich, Hochstaplerin

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Manchmal sehe ich mir selbst dabei zu, wie ich etwas richtig gut kann – und es fühlt sich trotzdem an, als hätte ich geschummelt.
Nicht im offensichtlichen Sinne, keine gefälschten Urkunden, keine erfundenen Lebensläufe. Nur dieses subtile Gefühl, dass alles irgendwie Zufall war.
Dass jemand anders das genauso gut könnte – oder besser.
Und dass ich früher oder später auffliege, wenn jemand genauer hinschaut.

Mein Leben ist im Grunde ein fortlaufender Balanceakt zwischen „Ich habe da echt was Großes geschaffen“ und „Ich hab einfach Glück, dass noch niemand gemerkt hat, dass ich eigentlich gar nichts kann“.

Denn kaum habe ich etwas geschafft, das wirklich gut geworden ist, kippt die Freude in Verdacht.
Ich sehe mein Werk, höre das Lob – und warte auf den Moment, in dem jemand laut ausspricht, was ich heimlich denke:
Das war doch reiner Zufall. Du hattest nur Glück. Du spielst das alles bloß ziemlich gut.

Ich lächle also, nicke, sage danke – und fühle mich, als hätte ich versehentlich Zugang zu einer Welt bekommen, zu der ich eigentlich nicht gehöre.
Als wäre ich durch eine offene Tür geschlüpft, bevor jemand kontrollieren konnte, ob ich überhaupt auf der Gästeliste stehe.

Also spiele ich lieber unauffällig.
Tue so, als wäre das alles gar nichts Besonderes, nur ein glücklicher Zufall, den man nicht zu laut feiern sollte.
Ich halte mich bedeckt, bevor jemand merkt, dass ich über meinen Möglichkeiten lebe.
Selbst Lob fühlt sich an wie ein Risiko – zu viel Aufmerksamkeit.

Ich scanne andere Menschen nach Beweisen ab, dass sie wirklich hierhergehören –
und finde sie natürlich überall.
Bei mir selbst suche ich nach denselben Beweisen und finde: Lücken.
Jede Unsicherheit wird zum Indiz, jede Frage zum Beweisstück.
Ich bin Ermittlerin in meinem eigenen Betrugsfall.

Dabei beschuldigt mich niemand.
Niemand prüft, niemand zweifelt – außer ich.
Ich bin Anklägerin, Zeugin und Richterin in einem Prozess, der nie eröffnet wurde.
Und trotzdem fühle ich mich schuldig, als wäre mein Erfolg ein Verbrechen.

Und jetzt?

Ich soll, sagt meine innere Therapeutin, Beweise prüfen, bevor ich Urteile fälle.
Also nicht sofort glauben, dass alles Glück war, nur weil sich Stolz ungewohnt anfühlt.
Sondern nachsehen, was stimmt: Ich habe gearbeitet. Ich habe gelernt. Ich habe es gemacht.

Ich soll üben, Komplimente nicht wegzuwinken, sondern sie auszuhalten –
so, wie man Sonnenlicht auf der Haut aushält, auch wenn’s ungewohnt warm wird.

Und ich soll aufhören, mich selbst als Ausnahme zu behandeln,
wenn’s gut läuft.

Theoretisch verstehe ich das.

Praktisch fühle ich mich wie eine Betrügerin, wenn ich behaupte, ich hätte es wirklich verstanden.

P.S.
Du hast recht, das Thema kommt dir bekannt vor.
Im letzten Beitrag halte ich mich allerdings für unfähig überhaupt erfolgreich zu sein
in diesem hingegen für eine Hochstaplerin, wenn ich dann erfolgreich bin.
Ich nenne das: persönliche Weiterentwicklung im Kreisverkehr.

💬 Und du?

Wann hattest du das letzte Mal Angst, jemand merkt, dass du gar nicht so gut bist, wie du wirkst?

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