Lernen im Vorbeigehen
🕒 Lesezeit: ca. 6 Minuten
Ich habe nie besonders gut gelernt – also nicht im schulischen Sinne. Ich habe zwar Karteikarten geschrieben, sogar stapelweise. Ich habe Lernpläne entworfen, farblich kodiert, und Eselsbrücken gebaut, so stabil, die hätten eine ganze Klassenarbeit tragen können.
Nur: Gelernt habe ich damit selten. Meistens war nach dem Vorbereiten schon die Luft raus. Oder die Zeit. Oder beides.
Aber ich habe immer dann gut gelernt, wenn es um etwas ging, das ich wirklich können wollte.
Erst das Ziel. Dann der Weg.
Wenn ich etwas lernen will, dann nicht, weil mich der Lernprozess an sich begeistert. Sondern weil ich ein Bild im Kopf habe. Ein Ergebnis. Ein fertiges Etwas. Den Moment, in dem ich es in den Händen halte und sagen kann: Das habe ich gemacht.
Ich lerne rückwärts. Nicht vom Anfang zum Ziel, sondern vom Ziel zurück zum Anfang. Ohne greifbares Projekt fehlt mir der Antrieb. Ich brauche eine Idee, die mich zieht. Ohne sie bleibe ich stehen, bevor ich überhaupt losgehe.
Beim Nähen war es ein Rucksack. Kein Täschchen, kein Übungsstück – ein richtiger Kinderrucksack. Mit Futter, Reißverschluss und Anspruch. Für die Tochter einer Freundin. Ich wusste nicht, wie man eine Nähmaschine einfädelt, oder dass Ober- und Unterfaden eine Art stilles Abkommen brauchen, um gemeinsam produktiv zu sein. Aber ich wusste, wie der Rucksack aussehen sollte. Und das hat gereicht.
Beim Häkeln war es eine Mütze. Ich hatte Wolle, eine Nadel, und keine Ahnung, was ein halbes Stäbchen ist – aber das konnte ich ja unterwegs herausfinden. Ich wollte keine Technik üben. Ich wollte eine Mütze. Also habe ich eine Mütze gehäkelt. Und dabei zufällig gelernt, wie häkeln funktioniert.
So habe ich mir also Nähen beigebracht. Und Häkeln. Und wahrscheinlich auch alles andere, das ich irgendwann mal konnte.
Nicht, weil ich mir Zeit genommen habe, es zu lernen.
Sondern weil ich angefangen habe, bevor ich’s konnte.
Ein Faden reicht manchmal
Manchmal braucht es gar nicht viel, um etwas Neues entstehen zu lassen. Einen Faden. Eine Nadel. Ein Stück Stoff. Eine Idee, die hartnäckig genug ist, um alle Zweifel zu überstimmen. Kein großes Equipment, keine perfekte Vorbereitung – nur der feste Wille, etwas zu machen, das es vorher nicht gab.
Und dann sitze ich da. Zwischen Stoffresten, Kaffeetassen und der vagen Ahnung, dass ich keine Ahnung habe. Und ich nähe. Oder häkle. Oder probiere irgendwas aus, das ich eigentlich nicht kann, aber trotzdem mache. Nicht perfekt, aber mit jedem Stich ein bisschen richtiger.
Und wenn dann plötzlich aus einem losen Faden etwas wird, das Form hat, einen Zweck erfüllt und am Ende auch noch schön ist – dann ist das für mich wie Magie. Nicht die mit Glitzer und großer Geste. Sondern die handgemachte Version davon. Ganz ohne Zauberstab – aber mit innerem Applaus. Und Nahtzugabe.
Lernen ist mein Motor – solange ich selbst am Steuer sitze
Ich lerne nicht, um Punkte zu sammeln. Ich lerne, weil mir ein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf geht. Weil ich wissen will, wie etwas funktioniert. Weil ich manchmal das Gefühl habe, mein ganzes Leben ist ein Selbststudium mit wechselnden Schwerpunkten – ohne Modulplan, aber mit ziemlich ehrlicher Leistungsabfrage.
Ich mag kein Lernen auf Vorrat. Kein "falls man das irgendwann mal braucht". Ich lerne, wenn es konkret wird. Wenn ich ein Ziel sehe. Wenn ich weiß: Wenn ich das jetzt kann, dann kann ich damit etwas machen. Etwas, das bleibt. Etwas, das zählt. Für mich. Auch wenn’s sonst keiner merkt.
Stillstand ist keine Option
Ich lerne nicht, um mich selbst zu optimieren. Aber ich will besser werden. Nicht im gesellschaftlich messbaren Sinne – nicht im Sinne von Karriere, Haus oder „endlich mal was Richtiges machen“ – sondern nach meinem eigenen Maßstab. Ich will verstehen, wie Dinge funktionieren. Ich will selbst entscheiden, worin ich wachsen will. Und wann.
Stehenbleiben fühlt sich an wie vertane Zeit. Wenn ich nichts Neues anfange, fängt irgendetwas in mir an zu kribbeln. Nicht unruhig, sondern neugierig. Wie ein Muskel, der sich langweilt.
In den letzten Wochen habe ich gelernt, wie man eine Website erstellt. Wie man eine Domain kauft, wie man das Impressum rechtskonform schreibt, wie man einen Blog aufsetzt – und wie man dann einfach loslegt. Nicht perfekt, aber für ein Solo-Projekt ohne Vorkenntnisse ziemlich okay.
Als Nächstes will ich wissen, wie man einen Podcast macht. Ich liebe Podcasts. Ich höre sie beim Spazieren, beim Nähen, beim Denken. Und manchmal auch einfach, um die Stimmen im eigenen Kopf zu übertönen.
Ich habe keine Ahnung, wie man selbst einen aufnimmt, schneidet, veröffentlicht, richtig einatmet – keine Technik, kein Workflow, kein gar nichts. Noch nicht. Aber das hat mich noch nie aufgehalten.
Ich werde das lernen. So wie ich mir alles andere auch beigebracht habe. Nicht, weil ich muss. Sondern weil ich will. Weil ich das Gefühl habe, dass da noch was kommt. Dass noch viel kommt.
Der Podcast ist nur ein Teil davon. Ein Kapitel. Vielleicht ein Türöffner. Aber dahinter wartet noch mehr: Ideen, Projekte, Dinge, die vielleicht irgendwann ein Preisschild tragen könnten. Und wer weiß – vielleicht baue ich mir aus all dem irgendwann ein Business. Eins, das mein Herz hüpfen lässt – und trotzdem die Miete zahlt.
💬 Und du?
Was war das Letzte, das du dir selbst beigebracht hast – aus Neugier, aus Trotz oder einfach, weil du's wissen wolltest? Wie lernst du am liebsten: mit System oder mit Schere in der Hand? Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen, Lieblingsmethoden oder ganz persönlichen Aha-Momente.
🧩 Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was mein Herz hüpfen lässt“.
In der nächsten Folge: Wissen weitergeben. Ganz ohne Zeigestock, aber mit Leidenschaft, Praxisbezug und dem Wunsch, dass es bei anderen genauso klick macht wie bei mir.