Schreiben als Überlebensstrategie.
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Ich liebe Worte. Vielleicht ein bisschen zu sehr. Ich habe schon als Kind stundenlang gelesen, nicht weil mir langweilig war, sondern weil ich wissen wollte, wie andere das machen mit den Sätzen. Welche Worte sie wählen. Wie sie wirken. Wie sie klingen.
Während andere Kinder Poster von Boybands sammelten, sammelte ich Zitate. Ich konnte nicht tanzen, aber ich konnte formulieren. Und das war für mich irgendwie dasselbe – ein Ausdruck von Gefühl, nur ohne Choreografie.
Worte bedeuten mir viel. Vielleicht zu viel.
Wenn jemand spricht, höre ich nicht nur zu – ich dekodiere. Tonfall, Tempo, Wortwahl, das Schweigen dazwischen. Ich höre die Zwischentöne oft lauter als das Gesagte. Und manchmal mehr, als mir lieb ist.
Weil ich jedes Wort mit einer Mischung aus Neugier und Hochsensibilität auseinandernehme, fällt es mir schwer zu glauben, dass andere das nicht auch tun. Dass Menschen Dinge einfach sagen – ohne Probedurchlauf, ohne Satzgewichtung, ohne innere Synonymdebatte. Denn ich jongliere jeden Halbsatz, bis er entweder perfekt landet – oder mir auf den Kopf fällt.
Und genau deshalb schreibe ich. Nicht nur, um fertig Gedachtes festzuhalten, sondern weil Schreiben der einzige Weg ist, meine Gedanken überhaupt erst in Form zu bringen.
Ich räume auf. In Sätzen, nicht in Schubladen.
Ich schreibe meistens nicht, weil ich schon weiß, was ich sagen will. Ich schreibe, um es herauszufinden. Schreiben ist mein Denkwerkzeug. Mein Sortiersystem für innere Unordnung. Während andere joggen gehen, um den Kopf freizubekommen, öffne ich ein neues Dokument.
Manchmal stolpere ich mitten im Schreiben über einen Gedanken, der plötzlich alles sortiert – als hätte mein Hirn beim Tippen heimlich aufgeräumt. Schreiben ist für mich nicht einfach Dokumentation, sondern eine Art Gedanken-Spülmaschine: Alles kommt durcheinander rein, aber am Ende ist es sauber, geordnet und glänzt ein bisschen.
Beim Schreiben verliere ich alles - außer den Anspruch
Beim Schreiben verliere ich jegliches Zeitgefühl. Ich kann mich in einem Absatz verlieren wie andere in einem YouTube-Loop. Dann suche ich stundenlang nach einem Wort, das nur ein Hauch anders klingt, aber genau das trifft, was ich sagen will. Und wenn ich es finde? Euphorie. Nicht laut, nicht dramatisch – aber so eine stille, warme Zufriedenheit, die sich von innen nach außen schleicht.
Ich schreibe, überarbeite, streiche, setze neu – nicht, weil ich muss, sondern weil ich will, dass es passt. Jedes Wort soll sitzen. Nicht perfekt im klassischen Sinne, sondern stimmig. Wenn das gelingt, ist das für mich keine Arbeit. Sondern: Glück. Reines, leises, tiefes Glück.
Vielleicht auch deshalb, weil ich weiß, wie mächtig Worte sein können – nicht nur meine eigenen. Ich sammle sie auch heute noch. Wie andere Postkarten oder Muscheln. Nur dass es bei mir Sätze sind, die hängen bleiben. Weil sie etwas in mir auslösen. Oder erklären. Oder trösten.
Ich sammele keine Dinge, ich sammele Bedeutung
Ich sammle auch immer noch Zitate. Nicht aus nostalgischer Sentimentalität, sondern weil mich gut formulierte Gedanken magisch anziehen. Ein kluger Satz zur richtigen Zeit – und zack, plötzlich sieht die Welt anders aus. Oder ich. Oder beides.
Ich glaube daran, dass Worte treffen können. Nicht zufällig, sondern gezielt. Dass sie Türen aufmachen, die sonst verschlossen blieben. Dass sie trösten, irritieren, verwandeln. Und genau das fasziniert mich.
Ein Satz, richtig platziert, kann mehr bewegen als drei gut gemeinte Umarmungen.
Ich notiere solche Sätze überall – auf Zetteln, in Notizen-Apps, auf der Rückseite von Kassenzetteln. Und manchmal schreibe ich Texte nur, weil mir ein einziger Satz nicht mehr aus dem Kopf geht.
Vielleicht schreibe ich auch deshalb so gern, weil ich ständig auf der Suche bin – nach diesem einen Satz, der etwas auslöst. In mir oder in anderen. Weil es mich erfüllt. Nicht, weil jemand es erwartet. Sondern, weil es sich nach mir anfühlt.
Und genau darum geht’s ja in dieser Blogreihe – um Dinge, die ich auch dann tun würde, wenn niemand hinsieht.
Ich schreibe ohne Applaus, aber mit Begeisterung
Ich schreibe. Weil meine Gedanken sonst kreisen. Und weil sie oft erst auf Papier wissen, wohin sie gehören. Ich schreibe völlig ohne Auftrag, ohne Deadline und ohne, dass jemand klatscht. Denn mal ehrlich: Niemand wartet auf diesen Text. Kein Verlag, kein Algorithmus, nicht mal meine Mutter. Es gibt keinen Vertrag, keine Deadline, kein Schulterklopfen am Ende – und trotzdem sitze ich hier. Weil irgendwo zwischen Gedanken und Tastatur etwas passiert, das mich erfüllt. Weil ich sonst das Gefühl hätte, etwas Wichtiges nicht gesagt zu haben – selbst wenn niemand zuhört.
Es fühlt sich an wie ein inneres Bedürfnis. Wie eine Verabredung mit mir selbst. Und wenn ich einen Beitrag dann fertig habe – wirklich fertig, also überarbeitet, gedreht, geschliffen, noch mal umgestellt und neu gefühlt – dann hüpft mein Herz. Weil ich spüre: Genau dafür bin ich gemacht.
Zu Hause ist kein Ort, sondern ein Gefühl
Schreiben ist für mich wie Heimkommen – nur ohne Schlüssel, weil die Tür sowieso offensteht. Es fühlt sich nicht nach Arbeit an, nicht nach Pflicht, nicht nach „Ich müsste mal wieder“. Es fühlt sich an wie eine natürliche Bewegung.
Wie Atmen – nur dass sich mit jedem Wort etwas löst, etwas ordnet, etwas bleibt.
Und am Ende bin ich da.
Zwischen den Zeilen.
Und ganz bei mir.
💬 Und du?
Du kennst einen Satz, der dir mal das Herz gerettet oder den Kopf verdreht hat?
Dann her damit – meine Sammlung hat noch Platz.
🧩 Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was mein Herz hüpfen lässt“.
In der nächsten Folge: Lernen. Ganz ohne Stundenplan, aber mit Begeisterung, YouTube-Tutorials und einem leichten Hang zur Selbstüberschätzung.