Heute wollte ich die Welt erobern…

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…aber es regnet.

Es gibt Tage, da wache ich auf und bin sicher: Heute. Heute ist mein Tag. Heute erledige ich die To-do-Liste mit links, überzeuge mit brillianten Ideen und ganz nebenbei rette ich noch die Welt. Ich bin motiviert, voller Energie, vielleicht sogar in diesem seltenen Zustand zwischen Euphorie und Größenwahn.

Und dann schaue ich aus dem Fenster. Grau. Regen. Pfützen, die aussehen, als hätten sie sich gegen mich verschworen. Zack – von „Welt erobern“ zu „Netflix einschalten“ in unter fünf Sekunden.

Kontrollverlust auf leisen Sohlen

Das Wetter ist das offensichtlichste Beispiel. Ich kann es nicht beeinflussen, auch nicht, wenn ich meinen Teller aufesse. Aber es gibt noch so viele andere Dinge, die außerhalb meines Einflussbereichs liegen: Ob jemand meine Mail sofort beantwortet oder in den digitalen Papierkorb legt. Ob mein Kuchen so wird, wie auf dem Rezeptfoto, oder eher aussieht wie ein trauriger Fladen. Ob Menschen mich mögen, verstehen oder völlig falsch einschätzen.

Und doch – wie oft mache ich mein Glück von genau diesen Dingen abhängig? Als ob mein Wohlbefinden eine Fernbedienung wäre, die ich großzügig an andere verteile. Spoiler: Sie drücken immer genau dann auf Pause, wenn ich gerade Play brauche.

Dauerregen im Kopf

Rein logisch betrachtet, müsste es mir egal sein, ob es draußen gießt. Ich kann trotzdem schreiben, lachen, leben, Ideen spinnen. Und doch fühlt es sich so an, als würde der Regen nicht nur auf die Straße, sondern direkt auf meine Stimmung prasseln. Ich erlaube dem Wetter, über meinen Tag zu bestimmen – und es weiß wahrscheinlich nicht mal, dass es existiert.

Das ist das Absurde: Die Dinge, die ich am wenigsten beeinflussen kann, sind oft die, die ich am stärksten in mein Leben hineinregieren lasse. Ich lade sie ein, gebe ihnen den besten Platz auf der Couch und wundere mich dann, dass sie die Fernbedienung nie wieder hergeben.

Wer sitzt wirklich am Steuer?

Natürlich ist es leichter gesagt als getan, den inneren Regisseur auszutauschen. Ich würde auch gerne behaupten, ich hätte die volle Kontrolle über meine Gedanken. Aber manchmal reicht schon ein beiläufiger Satz, und plötzlich fühle ich mich, als hätte jemand den Boden unter mir ein Stück abgesenkt.

Die Frage ist also: Wen lasse ich ans Steuer? Das Wetter? Fremde Menschen, die mich nur aus fünf Sekunden Interaktion kennen? Den Algorithmus, der entscheidet, ob mein Text zehn Menschen erreicht – oder tausend? Oder darf ich auch mal selbst den Schlüssel behalten?

Kleiner Realitätscheck

Ich werde nie die Wolken vertreiben, die Meinung aller kontrollieren oder das Schicksal per To-do-Liste optimieren können. Aber ich kann mich entscheiden, ob ich mich von all dem aus der Bahn werfen lasse. Vielleicht liegt wahre Macht nicht darin, die Welt zu erobern, sondern darin, sich selbst zurückzuerobern – immer wieder neu.

Das heißt nicht, dass ich den Regen plötzlich mögen muss. Aber vielleicht kann ich ihn akzeptieren, ohne dass er den ganzen Tag ruiniert. So wie ein unerwarteter Gast, der zwar nervt, aber nicht die ganze Party bestimmen darf.

Und jetzt?

Heute wollte ich die Welt erobern, aber es regnet. Also gut – dann erobere ich sie eben mit Gummistiefeln, Regenjacke und zerzausten Haaren. Nicht in der strahlend perfekten Version, die ich mir ausgemalt hatte, sondern in der echten, nassen, matschigen.

Denn am Ende ist es genau das: Die Welt lässt sich nicht nur bei Sonnenschein erobern. Sie will auch an grauen Tagen betreten werden – mit Schirm, Charme und einem entschlossenen Schritt durch die Pfützen. Die großen Pläne warten nicht auf blauen Himmel. Sie fangen da an, wo ich trotz Regen losgehe.

💬 Und du?

Was sind deine Gummistiefel-Momente – die Augenblicke, in denen du trotzdem losziehst, obwohl das Wetter (oder das Leben) etwas anderes geplant hatte?

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