Abwarten und Tee trinken
🕒 Lesezeit: ca. 2 Minuten
Ich hasse Warten.
An der roten Ampel. Auf den Paketboten. Auf die Antwort, die längst hätte kommen sollen. Mein innerer Motor läuft permanent auf Jetzt sofort, und dann kommt dieser Spruch um die Ecke: „Abwarten und Tee trinken.“ Klingt so friedlich – und ist für mich gleichzeitig die ultimative Provokation.
In unserer Welt, in der selbst die Kaffeemaschine auf schnell programmiert ist, wirkt der Satz wie ein Fremdkörper. Warten? Wer macht denn sowas noch freiwillig? Wir tracken Lieferungen in Echtzeit, beantworten Nachrichten innerhalb von Sekunden und googeln lieber sofort, statt fünf Minuten über eine Frage nachzudenken. Da ist „Abwarten und Tee trinken“ fast schon eine kleine Rebellion. Ein passiver Widerstand gegen das Hamsterrad.
Und der Tee? Er ist das perfekte Symbol: Ich kann ihn nicht beschleunigen. Wasser kochen, ziehen lassen, fertig. Nippe ich zu früh, verbrenne ich mir die Zunge. Warte ich zu lange, trinke ich lauwarmes Wasser mit Erinnerungsgeschmack. Der richtige Moment liegt dazwischen. Es geht also nicht um endlose Geduld, sondern darum, den richtigen Moment zu erwischen – beim Trinken genauso wie beim Warten.
Die Kunst des Aushaltens
Und genau das ist der Knackpunkt: Warten heißt nicht, die Zeit endlos verstreichen zu lassen, sondern auszuhalten, bis der richtige Moment da ist. Manchmal können wir ihn beeinflussen, oft aber auch nicht – und genau da beginnt die eigentliche Kunst des Abwartens. Weil es Situationen gibt, die sich nicht sofort lösen lassen. Manchmal braucht die Welt einfach Zeit – egal, wie sehr ich sie anschreie.
Die Prüfung, deren Ergebnis über alles entscheidet. Das Jobangebot, das ein ganzes Leben auf den Kopf stellen könnte. Die ärztliche Diagnose, die alles verändern kann. Der Rückruf, ob die Operation gut verlaufen ist. Es gibt Momente, in denen Nichtstun die einzige Option ist. Und genau da fällt mir „Abwarten und Tee trinken“ so schwer.
Denn Abwarten heißt nicht nur nichts tun. Es heißt auch aushalten, dass ich nichts tun kann. Es heißt, die Kontrolle aus der Hand zu geben und trotzdem nicht durchzudrehen.
Beschäftigungstherapie
Tee trinken ist der kleine Trost, die stille Beschäftigung für die Hände, während der Kopf schreit: „Mach was!“ Tee ist ein Ritual. Ein Becher in den Händen, ein Schluck Wärme im Bauch – und plötzlich fühlt sich Warten nicht mehr wie Stillstand an, sondern wie ein bewusst gesetzter Zwischenraum.
Ob Kamille, Schwarztee oder Minze – es ist egal. Es geht nicht um den Geschmack, sondern darum, dass ich mir selbst signalisiere: Ich halte das jetzt aus. Statt sinnlos zu kreiseln, mache ich etwas Einfaches, Ruhiges, Gutes für mich. Ich trinke Tee und gebe der Zeit ihre Zeit.
💬 Und du?
Wann hast du das letzte Mal abgewartet – und dir dabei eine Tasse Ruhe gegönnt?