Der Fehler, den es nicht gibt.

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Es gibt diese Momente im Leben, in denen ich alles nach Lehrbuch mache.
Ich plane sorgfältig, wäge ab, treffe vernünftige Entscheidungen, bin diszipliniert – kurz: ich könnte fast ein Paradebeispiel für „Erwachsensein“ abgeben. Und dann passiert es trotzdem: Ich verliere. Und damit meine ich nicht den kleinen Alltagsverlust, den man einfach wegsteckt. Ich meine den Verlust von Etwas, jemandem. Einem Traum, einer Chance, einem Stück von mir.

Die Sorte von Verlusten, die mich mitten in der Nacht wachliegen lässt, weil ich Schritt für Schritt noch einmal alles durchgehe. Was habe ich übersehen? Wo bin ich falsch abgebogen? Welchen Knopf habe ich gedrückt, den ich besser nicht hätte drücken sollen?

Und dann nach unzähligen schlaflosen Nächten und endlosen Grübelspiralen die bittere Erkenntnis: Nirgends. Kein Fehler. Keine falsche Abzweigung. Kein geheimer Knopf. Ich habe alles richtig gemacht – und es hat trotzdem nicht gereicht.

Die unsichtbare Variable

Das ist wahrscheinlich das Schwerste an solchen Momenten: dass es eben nicht in meiner Hand lag.
Dass es diese unsichtbare Variable gibt, die sich nicht kalkulieren lässt. Der Faktor, den kein Plan, kein Perfektionismus, keine Vorsorge verhindern kann. Mal heißt er „Pech“, mal „Zufall“, mal schlicht „Leben“.

Und genau das macht es so schwer zu verdauen. Denn wenn ich wenigstens irgendwo meinen eigenen Fehler entdecken könnte, dann hätte ich auch eine Lösung parat: verbessern, neu versuchen, beim nächsten Mal klüger handeln. Aber wenn es keinen Fehler gibt, bleibt nur die Hilflosigkeit. Das Gefühl, ausgeliefert zu sein.

Die Sache mit der Kontrolle

Menschen lieben Kontrolle. Und ich ganz besonders. Sie gibt mir Sicherheit. Wenn A passiert, dann folgt B. Wenn ich gut vorbereitet bin, läuft alles rund. Wenn ich mich anstrenge, werde ich belohnt. So funktioniert das in Theorien, in Ratgebern, auf Motivationspostern.

Aber die Realität sieht eben oft anders aus: Manchmal strenge ich mich an, mache alles richtig – und trotzdem verliere ich. Nicht, weil ich zu wenig gegeben habe. Nicht, weil ich etwas übersehen hätte. Sondern einfach, weil das Leben kein Vertrag mit garantierter Leistung ist.

Und das schmerzt doppelt.
Erstens, weil die Sache an sich weh tut – der Rückschlag, die Enttäuschung, die verpasste Chance, der Verlust.
Und zweitens, weil ich sie nicht erklären kann. Weil es keine Schublade gibt, in die ich sie stecken kann.
Es bleibt dieses offene Ende, das ständig in der Luft hängt: Warum?

Und diese offene Frage kann mich innerlich auffressen. Denn während ich bei einem klaren Fehler immerhin mit einem Schulterzucken sagen könnte: „Okay, lesson learned“, bleibt hier nur die Leere.

Manchmal bleibt nur das Nichts

Rückschläge sind nie leicht. Aber wenn sie ohne eigenes Verschulden passieren, sind sie für mich besonders schwer zu ertragen.
Weil sie mich daran erinnern, dass ich verletzlich bin. Dass ich nicht alles steuern kann. Dass ich manchmal schlicht ausgeliefert bin.

Und ganz egal was die “Alles im Leben hat einen Sinn”-Fraktion auch predigt: Nicht jeder Verlust bringt etwas Gutes hervor oder schreibt eine neue Geschichte. Manche reißen nur Seiten raus. Nicht jeder Schmerz verwandelt sich in Stärke. Manche Dinge bleiben einfach, wie sie sind: unfair, unverständlich, unerträglich.

Und so bleibt manchmal nur das Schweigen nach dem Aufprall. Kein Lichtblick, kein Sinn, keine Pointe. Nur der Verlust.

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